Auffrischimpfungen abhängig von STIKO-Empfehlung anbieten

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Die Delta-Variante des Corona-Virus dominiert mittlerweile das Infektionsgeschehen. Sogenannte Impfdurchbrüche nehmen zu und haben Länder wie die U.S.A und Israel veranlasst, der Bevölkerung eine Auffrischimpfung anzubieten. Auch hierzulande werden Nutzen und Risiken einer 3. Impfdosis diskutiert. Die Bundesärztekammer (BÄK) rät dringend, die Expertise der Ständigen Impfkommission (STIKO) als Orientierung für politische Entscheidungen zu betrachten.

Die Inzidenzrate steigt aktuell in einem Umfang, der den des Sommers 2020 deutlich übersteigt. Insbesondere ungeimpfte Bürgerinnen und Bürger sind betroffen. Parallel dazu nimmt die Anzahl an Impfdurchbrüchen zu. Dem Robert Koch-Institut (RKI) zufolge wurden seit Jahresanfang insgesamt mehr als 18 000 wahrscheinliche Impfdurchbrüche gemeldet (RKI-Lagebericht vom 26.08.2021).

Dass die Anzahl der Impfdurchbrüche in den kommenden Monaten noch steigen wird, ist wahrscheinlich. Das ist unter anderem der Statistik geschuldet, denn mit steigender Impfquote erhöht sich natürlich auch die Zahl der potentiellen Impfdurchbrüche. Diese gehen in der Regel mit schwächeren Verläufen einher, als es ohne Impfung der Fall wäre. Die STIKO hat allerdings aufgrund der noch ungenügenden Datenlage bisher keine Empfehlung zu Auffrischimpfungen bei Erwachsenen abgegeben.

Um der Entwicklung frühzeitig entgegenzuwirken, hat Bundesgesundheitsminister Jens Spahn – unabhängig von einer STIKO-Empfehlung – bereits im August 2021 angekündigt, allen Bürgern ein Angebot für einen Corona-Auffrischimpfung anbieten zu wollen. „Eine Booster-Impfung ist von den Zulassungen gedeckt, sie verstärkt und verlängert den Impfschutz“, sagte er.

Der Virologe Prof. Dr. Christian Drosten von der Berliner Charité geht davon aus, dass die meisten Menschen im Herbst keine Auffrischimpfung benötigen. „Die Schutzwirkung der Corona-Vakzine ist viel besser als beispielsweise bei den Influenza-Impfstoffen“, erklärte er. Ausnahmen gebe es bei älteren Menschen und bestimmten Risikopatienten. Ein halbes Jahr nach der Impfung sinke das erworbene Antikörper-Level vor allem bei sehr alten Menschen deutlich herab. Drosten erklärte, dass hier Auffrischimpfungen sinnvoll sein könnten und erwartet hierfür die Definition eines Altersniveaus.

Medizinische Wissenschaft braucht Unabhängigkeit

Aus Sicht von Bundesärztekammer-Präsident Dr. Klaus Reinhardt können Auffrischimpfungen für Menschen mit bestimmten Vorerkrankungen, mit einem geschwächten Immunsystem sowie für Hochbetagte durchaus sehr sinnvoll sein. Nach bisherigem Kenntnisstand und Auffassung namhafter Experten seien sie aber für die meisten Geimpften nicht sofort nötig. „Insgesamt fehlen uns immer noch aussagekräftige Studien, ob wann und für wen eine Booster-Impfung angezeigt ist“, sagte Reinhardt im August.

Die STIKO befasse sich bereits intensiv mit dem Thema. Die STIKO-Empfehlungen basierten ausschließlich auf der Basis der verfügbaren wissenschaftlichen Evidenz. Das gelte auch für die nun anstehende Nutzen-Risiko-Abwägung von Corona-Auffrischimpfungen für Erwachsene. „Bund und Länder wären gut beraten, bei dieser wichtigen Frage die STIKO nicht zu übergehen“, erklärte der BÄK-Präsident.

Zudem erinnerte Reinhardt an die Debatte zu Impfungen von Kindern und Jugendlichen ab 12 Jahren. „Medizinische Wissenschaft muss unabhängig sein und bleiben“, betonte er. Wichtig sei deshalb, dass die STIKO dem starken politischen Druck widerstanden und ihre Empfehlungen zu Corona-Schutzimpfungen bei Kindern und Jugendlichen nicht übereilt, sondern auf solider wissenschaftlicher Grundlage abgegeben habe. Die STIKO habe sich die notwendige Zeit genommen, auf Basis aktueller Daten und Beobachtungen eine evidenzbasierte Neubewertung der Sachlage vorzunehmen. „Damit hat sie das Vertrauen der Menschen in die wissenschaftliche Unabhängigkeit des Gremiums gestärkt“, so Reinhardt. Vor allem aber gebe sie damit Jugendlichen und Eltern sowie Ärztinnen und Ärzten bei der Entscheidung über eine Corona-Schutzimpfung wichtige Hilfestellung und notwendige Orientierung.

Booster-Kampagnen in Israel und U.S.A. gestartet

Israel steckt schon mitten in der Booster-Kampagne. Galt das Land Anfang dieses Jahres als Impfweltmeister gegen die Corona-Pandemie, kämpft es inzwischen mit einer Inzidenz von über 500 mit täglich rund 8 000 Neuinfektionen bei 9,4 Millionen Einwohnern. Mehr als die Hälfte der Covid-Patienten in Israels Krankenhäusern ist zweimal geimpft, der Schutz war nicht mehr ausreichend, berichtet ZDF heute. Einer Studie der israelischen Krankenkasse Maccabi zufolge schütze die Drittimpfung zu 86 Prozent, gegen schwere Verläufe sogar 93 Prozent – auch gegen die Delta-Variante.

Auch die US-Regierung plant, voraussichtlich ab September mit Auffrischimpfungen gegen das Corona-Virus zu beginnen. Rund acht Monate nach der zweiten Impfdosis sollen vollständig Geimpfte eine dritte Dosis mit den Präparaten von Moderna oder BioNTech/Pfizer erhalten. Auch die Hersteller der beiden mRNA-Impfstoffe arbeiten intensiv daran, die offizielle Zulassung für die Booster-Impfung zu erhalten – bei der US-Behörde für Lebens- und Arzneimittel (FDA) und der Europäischen Arzneimittelbehörde (EMA).

In Deutschland haben fast alle Bundesländer begonnen, die dritte Impfdosis anzubieten; Niedersachsen will im Oktober folgen.

WHO für globale Impfgerechtigkeit

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) kritisiert hingegen die Einführung von Auffrischimpfungen im großen Stil und plädiert dafür, die Impfstoffe bis mindestens Ende September nicht für Booster-Impfungen zu verwenden.

„Wir können nicht hinnehmen, dass Länder, die bereits den größten Teil der weltweiten Impfstoffvorräte verbraucht haben, noch mehr davon verwenden“, betont WHO- Generaldirektor Tedros Adhanom Ghebreyesus. Von den mehr als vier Milliarden verabreichten Impfstoffdosen seien mehr als achtzig Prozent an Länder mit hohem und mittlerem Einkommen gegangen, obwohl dort weniger als die Hälfte der Weltbevölkerung lebe.

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