Prolog von BÄK-Präsident Dr. Klaus Reinhardt zur Festschrift 75-Jahre Bundesärztekammer

Jubiläum

Wer wie die Bundesärztekammer in der Politik etwas bewegen will, der muss leidenschaftlich für die Sache streiten und braucht mitunter auch einen langen Atem. Denn das Alltagsgeschäft gemeinwohlorientierter ärztlicher Interessenvertretung spielt sich in der Regel nicht auf der großen politischen Bühne ab.

In oft mühevoller Detailarbeit müssen Gesetzes- und Verordnungsentwürfe auf ihre Praxistauglichkeit hin abgeklopft und der Politik – wenn nötig – eigene Regelungsvorschläge unterbreitet werden. Dabei kommt ein alter Leitspruch erfolgreicher politischer Interessenvertretung zum Tragen: Gehört wird, wer Ideen hat.

Ich darf dies mit Selbstbewusstsein sagen: Konstruktive Vorschläge für die Sicherung und Fortentwicklung einer qualitativ hochwertigen und patientenorientierten Gesundheitsversorgung in Deutschland hatte die Bundesärztekammer in den vergangenen 75 Jahren ihres Bestehens fortwährend. Oft ist es ihr gelungen, diese in die politische Debatte sowie in die konkrete Gesetzgebung auf Bundesebene einzubringen.

Der Bundesärztekammer kommt dabei zugute, und das zeigt die vorliegende Festschrift sehr eindrucksvoll, dass sie als Interessenvertretung aller Ärztinnen und Ärzte in Deutschland ein von Politik, gesellschaftlichen Akteuren und Medien geschätzter Verhandlungs- und Gesprächspartner in allen gesundheitspolitischen und medizinisch-ethischen Fragen ist.

Nicht ohne Grund hatte die junge Bundesrepublik auf Korporatismus gesetzt und einen großen Teil der staatlichen Regelungskompetenz im Gesundheitswesen auf die Selbstverwaltungsorganisationen übertragen. Am 18. und 19. Oktober 1947 konstituierten die Ärztekammern der westlichen Besatzungszonen in Bad Nauheim die „Arbeitsgemeinschaft der Westdeutschen Ärztekammern“, die acht Jahre später in „Bundesärztekammer“ umbenannt wurde.

Seit 1990 gehören auch die neu gegründeten ostdeutschen Landesärztekammern dieser Arbeitsgemeinschaft an. Heute vertritt die Bundesärztekammer als Arbeitsgemeinschaft der deutschen Ärztekammern rund 550.000 Ärztinnen und Ärzte im ganzen Bundesgebiet.

Seit ihrer Gründung steht außer Frage, dass die Bundesärztekammer und mit ihr die Landesärztekammern in Deutschland nicht nur ihre Berechtigung als Interessenvertretungen haben. Sie werden für die Organisation eines leistungsstarken Gesundheitswesens insgesamt gebraucht. Die institutionelle Selbstverwaltung ist ein wichtiges Alleinstellungsmerkmal des deutschen Gesundheitswesens.

Ärztekammern tragen in diesem System eine besondere Verantwortung. Sie vertreten nicht nur die beruflichen Belange ihrer Mitglieder unter anderem gegenüber der Politik, anderen Selbstverwaltungsgremien und den Medien. Ihnen obliegt auch die Berufsaufsicht über ihre Mitglieder, sie vermitteln und schlichten und sie ahnden Verstöße gegen berufsethische Normen. Zudem garantieren sie über Fortbildungsangebote und Facharztweiterbildungen einen hohen ärztlichen Leistungsstandard.

Aufgrund ihrer Sachkenntnis, ihrer Nähe zur Praxis und der Bindung zu ihren Mitgliedern regeln die ärztlichen Selbstverwaltungsorganisationen viele Details besser und effizienter, als es die Politik könnte. Dass dabei die fachlichen, beruflichen und rechtlichen Standards für Ärztinnen und Ärzte trotz ausgeprägter föderaler Strukturen im Wesentlichen einheitlich sind, liegt nicht zuletzt an der engen Zusammenarbeit der Landesärztekammern untereinander sowie mit der Bundesärztekammer.

In diesem selbstverwalteten System, geprägt durch Engagement und Kompetenz der Beteiligten, bewirkt die Freiberuflichkeit von Ärztinnen und Ärzten einen über ihr eigentliches berufliches Wirken weit hinausgehenden sozialethischen, sozialökonomischen und sozialkulturellen Mehrwert für die Gesellschaft.

Ohne die ärztliche Freiberuflichkeit wäre ärztliche Selbstverwaltung, wie sie sich in der Arbeit der Landesärztekammern und der Bundesärztekammer manifestiert, nicht denkbar. Freiberuflichkeit ist kein überkommener Wert aus längst vergangenen Zeiten – auch wenn Teile der Politik und manche Kostenträger dies nur allzu gerne glauben machen wollen.

Nein, Freiberuflichkeit ist die Conditio sine qua non für das Vertrauen der Menschen in die Ärzteschaft. Die Bundesärztekammer und die Landesärztekammern verstehen sich als funktionale Selbstverwaltung, die Ausdruck der Freiberuflichkeit und zugleich das Instrument zu deren Sicherung ist.

Und dennoch: Vielfältige gesetzliche Regulierungen beschneiden die Kompetenzen der ärztlichen Selbstverwaltung. Beispiele hierfür finden sich auf nationaler Ebene im Bereich der ärztlichen Qualitätssicherung, der Organisation der ärztlichen Weiterbildung sowie bei den ihr übertragenen unmittelbaren gesetzlichen Aufgaben.

Auf europäischer Ebene manifestiert sich dies in der wachsenden Einflussnahme aus Brüssel auf die gesundheitspolitischen Kompetenzen der EU-Mitgliedsstaaten und somit auch auf die ärztliche Selbstverwaltung in Deutschland.

Wir verbinden deshalb den Rückblick auf die 75-jährige Erfolgsgeschichte der Bundesärztekammer mit der klaren Aufforderung an die Politik, die bewährten Strukturen der ärztlichen Selbstverwaltung in Deutschland zu erhalten, zu stärken und weiter auszubauen.

Ebenso braucht eine starke ärztliche Selbstverwaltung Ärztinnen und Ärzte, die sich mit Herzblut in die gesundheitspolitische Arbeit einbringen. Eine vordringliche Aufgabe der Bundesärztekammer sowie der Landesärztekammern für die kommenden Jahre wird es deshalb sein, der nachwachsenden Ärztegeneration schon früh zu vermitteln, wie viel Freude und Erfüllung ein Engagement in der Selbstverwaltung bereiten kann.

Trotz zunehmender staatlicher Einflussnahmeversuche können wir immer noch wichtige Rahmenbedingungen unserer Berufsausübung selbst gestalten. Vieles können wir beeinflussen: Unsere Arbeitsinhalte, unsere Arbeitsbedingungen, unsere Kompetenz in medizinischen wie in sozialen Fragen. Wenn es uns gelingt, diese Botschaften an den Nachwuchs weiterzugeben, brauchen wir uns um die Zukunft unseres selbstverwalteten Berufsstandes keine Sorgen machen.

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