Nicht-steroidale Antirheumatika (NSAR)

  • 1. Wie hat sich die Verschreibung der nicht-steroidalen Antirheumatika in den letzten Jahren entwickelt?

    Die Verordnung der NSAR ist rückläufig, seit eine Verschreibungspflicht für die meisten Wirkstoffe bzw. Dosierungen aufgehoben wurde. Die NSAR gehören jedoch weiterhin zu den am häufigsten eingenommenen Wirkstoffen und Ibuprofen ist das am häufigsten verkaufte Arzneimittel in Deutschland.


  • 2. Welche Fehlindikationen sind bei den Verschreibungen zu beachten?

    In der Selbstmedikation ist eine Behandlung mit NSAR unter Beachtung der Gebrauchsinformation nur für wenige Tage geeignet. Eine längerfristige Einnahme von NSAR sollte immer ärztlich überwacht werden, um Übergebrauch und Fehlindikationen zu vermeiden und Nebenwirkungen rechtzeitig zu erkennen. Gemäß der Analgetika-Warnhinweis-Verordnung werden bereits auf der äußeren Verpackung von rezeptfreien Analgetika auf diese Regeln hingewiesen. Insbesondere bei Hinweisen auf eine somatoforme Komponente des Schmerzsyndroms sollte die Einnahme von NSAR kritisch hinterfragt werden. Analgetika sollten nicht eingenommen werden, um fit für sportliche Aktivität oder Freizeitaktivitäten zu sein.


  • 3. Wie ist das jeweilige Abhängigkeitspotenzial zu bewerten?

    Bei den nicht-opioiden Analgetika kann ein schädlicher Gebrauch erfolgen, eine Abhängigkeit entwickelt sich dagegen nicht.


  • 4. Wie lassen sich für nicht-steroidale Antirheumatika Anzeichen für einen schädlichen Konsum feststellen?

    Menschen mit einem primären Kopfschmerzsyndrom, die häufig nicht-steroidale Antirheumatika (NSAR) oder andere Analgetika einnehmen, haben das Risiko, einen Kopfschmerz durch Medikamentenübergebrauch zu entwickeln. Diese häufige Ursache für chronische Kopfschmerzen betrifft etwa ein Prozent der erwachsenen Bevölkerung. Bei etwa 50 Prozent der Patienten mit chronischen Kopfschmerzen liegt ein Übergebrauch von Analgetika vor. Ein Kopfschmerz durch Übergebrauch von Analgetika muss immer dann vermutet werden, wenn über einen Zeitraum von mehreren Monaten durchschnittlich an mindestens jedem zweiten Tag Kopfschmerzen auftreten und an mindestens zehn Tagen (im Fall von Triptanen, Opioiden und Kombinationsanalgetika) bzw. 15 Tagen pro Monat (NSAR) Schmerzmittel eingenommen werden. Meist liegt eine Migräne als Kopfschmerzsyndrom zugrunde, seltener ein Spannungskopfschmerz oder ein posttraumatischer Kopfschmerz. Typischerweise nimmt die Häufigkeit und Intensität der episodischen Kopfschmerzen unter dem Medikamentenübergebrauch zu, bis täglich Kopfschmerzen auftreten. Opiate bergen das höchste Risiko der Entwicklung eines Kopfschmerzes bei Medikamentenübergebrauch, gefolgt von Triptanen und Kombinationsanalgetika, die zusätzlich Coffein bzw. Codein enthalten. Dabei ist es nicht entscheidend, ob Analgetika wegen Kopfschmerzen oder anderen Beschwerden eingenommen werden.

    Ein längerfristiger Gebrauch von NSAR geht zudem mit einem erhöhten Risiko von Magengenulcera, Magenblutungen, kardiovaskulären Erkrankungen (z. B. Herzinfarkt, Schlaganfall), Nierenerkrankungen, arterieller Hypertonie und Gerinnungsstörungen einher.


  • 5. Gibt es Besonderheiten, die bei Kindern und Jugendlichen zu beachten sind?

    Die Prävalenz rezidivierender Kopf-, Bauch, und Rückenschmerzen bei Kindern und Jugendlichen nimmt tendenziell zu. Eine Studie des Robert Koch-Instituts zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland (KiGGS, Welle 2) ergab, dass 45 Prozent der Mädchen und 29 Prozent der Jungen im Alter von 11 bis 17 Jahren rezidivierende Kopfschmerzen haben. Fast die Hälfte der Jugendlichen mit Kopfschmerzen nehmen Analgetika ein, in der Regel in Eigenregie und ohne eine Kopfschmerzdiagnose. Der Grundstein für einen unangemessenen Umgang mit Analgetika wird häufig bereits im Kindes- und Jugendalter gelegt. Eine Beratung hinsichtlich der Risiken eines Übergebrauchs von Analgetika durch Ärzte und Apotheker ist in dieser Altersgruppe daher besonders wichtig.


  • 6. Welche Behandlungsalternativen stehen für nicht-steroidale Antirheumatika zur Verfügung?

    Zur Behandlung von Migräne und Spannungskopfschmerzen stehen neben der Attackentherapie mit Analgetika auch prophylaktische Maßnahmen und Therapien zur Verfügung und sollten angewendet werden, um der Entwicklung eines Kopfschmerzes durch Medikamentenübergebrauch vorzubeugen. Als nicht-medikamentöse Maßnahmen sind Entspannungsverfahren und Ausdauersport wirksam, zudem regelmäßige und ausreichende Schlafphasen, regelmäßige Nahrungsaufnahme und Pausen sowie die Vermeidung von Triggerfaktoren. In Einzelfällen kann auch eine kognitive Verhaltenstherapie indiziert sein. Wenn nicht-medikamentöse Maßnahmen nicht ausreichen, kann eine medikamentöse Prophylaxe indiziert sein. Zur Prophylaxe von Migräne und Spannungskopfschmerz stehen mehrere Wirkstoffe zur Verfügung. Bei einem Analgetika-induzierten Kopfschmerz auf dem Boden einer Migräne ist die Wirksamkeit für eine prophylaktische Behandlung mit Topiramat, Botulinumtoxin und CGRP-Antagonisten (Indikation siehe Fachinformation) nachgewiesen.


  • 7. Wie sollte eine missbrauchspräventive Verschreibung der NSAR erfolgen?

    Risikofaktoren für die Entwicklung eines Kopfschmerzes durch Medikamentenübergebrauch sollten beachtet werden, z. B Migräne oder Spanungskopfschmerz mit häufigen Episoden, weibliches Geschlecht, häufige Analgetika-Einnahme, Depression und Angsterkrankungen, andere Schmerzsyndrome, Rauchen, Übergewicht, Bewegungsmangel, niedriger sozio-ökonomischer Status.

    Bei Vorliegen von Risikofaktoren sollten Patienten hinsichtlich der Gefahren eines Medikamentenübergebrauchs beraten werden. Generell sollte auf eine möglichst kurzfristige Anwendung von NSAR in der niedrigsten wirksamen Dosis hingewiesen werden.

    Da NSAR überwiegend nicht verschreibungspflichtig sind, kann die Einnahmehäufigkeit nicht durch die Ausstellung von Rezepten überwacht werden, sondern muss aktiv erfragt werden. Bei Patienten mit häufigen Kopfschmerzen sollte dies wegen der Gefahr eines Kopfschmerzes durch Medikamentenübergebrauch regelhaft erfolgen. Sinnvoll bei häufigen Kopfschmerzen ist das Führen eines Kopfschmerzkalenders um eine realistische Abbildung des Medikamentengebrauchs zu erhalten.


  • 8. Welche Behandlung eines schädlichen Gebrauchs von NSAR kann ambulant durchgeführt werden? Wann sollte eine stationäre Überweisung bzw. Weiterbehandlung erfolgen?

    Die wichtigste Maßnahme ist das Absetzen der Analgetika, das idealerweise abrupt erfolgen sollte, außer wenn zusätzlich Opioide eingenommen werden.

    Bei Übergebrauch von NSAR und anderen nicht-opioiden Analgetika ist in der Regel ein ambulanter Entzug möglich. Typische Symptome eines Analgetikaentzugs sind zunehmende Kopfschmerzen, Übelkeit, Palpitationen, Nervosität und Schlafstörungen. Die Entzugsphase dauert meist drei bis zehn Tage und ist bei Triptanen am kürzesten und mildesten. Gleichzeitig mit dem Analgetikaentzug kann eine medikamentöse Prophylaxe des zugrundeliegenden primären Kopfschmerzsyndroms (in 80 % Migräne) begonnen werden, alternativ kann zunächst die Wirksamkeit des Analgetikaentzugs abgewartet werden.

    Bei Versagen ambulanter Therapieversuche, erheblicher psychischer Komorbidität und Übergebrauch von Opioiden ist ein stationärer Analgetikaentzug indiziert. Nach Absetzen der Analgetika sistiert der chronische Kopfschmerz meist und geht in einen episodischen Kopfschmerz mit einer deutlich reduzierten Anzahl von Tagen mit Kopfschmerzen über. Nach dem Entzug sollte die Patientin/der Patient ihren/seinen Analgetikakonsum in einem Kalender dokumentieren und darauf achten, dass die Anzahl der Einnahmetage der NSAR zehn Tage pro Monat nicht überschreitet. Zudem ist es sinnvoll, nicht-medikamentöse prophylaktische Maßnahmen im Alltag anzuwenden, insbesondere Entspannungsverfahren, Ausdauersport und regelmäßige Schlaf- und Pausenzeiten. Bei einer psychiatrischen Komorbidität sollte diese ggf. medikamentös bzw. psychotherapeutisch behandelt werden, um das Rezidivrisiko zu senken.


  • 9. Hinweise zum Arzt-Patienten-Gespräch: Patientenaufklärung und motivierende Gesprächsführung

    Der Zusammenhang zwischen einem Übergebrauch von Analgetika und der Entwicklung eines chronischen Kopfschmerzes ist den allermeisten Patienten nicht bewusst. Eine Aufklärung über den Übergebrauch von NSAR und anderen Analgetika als entscheidenden Risikofaktoren für die Chronifizierung von Kopfschmerzen kann bereits ausreichend wirksam sein, um einen Kopfschmerz durch Übergebrauch von Analgetika erfolgreich zu behandeln.