Ärzten eine Orientierung im Umgang mit Suizidalität geben

Medizin & Ethik

Ärztinnen und Ärzte sind nicht verpflichtet, Suizidhilfe zu leisten, wenngleich die Förderung der Selbsttötung nach dem Strafgesetzbuch nicht mehr strafbar ist. An der „lebens- und gesundheitsorientierten Zielrichtung“ ärztlichen Handelns habe sich nichts geändert, hatte der 124. Deutsche Ärztetag im Mai dieses Jahres seine Entscheidung zur Änderung der „(Muster-)Berufsordnung für die in Deutschland tätigen Ärztinnen und Ärzte“ begründet. Die Bundesärztekammer (BÄK) hat Hinweise zum ärztlichen Umgang mit Suizidalität und Todeswünschen veröffentlicht. Diese sollen Ärzte dabei unterstützen, wenn der Wunsch nach „Hilfe zum Suizid“ an sie herangetragen wird.

Das Bundesverfassungsgericht hatte am 26. Februar 2020 in einem grundlegenden Urteil (Az.: 2 BvR 2347/15) entschieden, dass der im Jahr 2015 eingeführte Straftatbestand der „Geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung“ gemäß § 217 Strafgesetzbuch nicht mit dem Grundgesetz vereinbar und nichtig ist.

Nach Ansicht des Gerichts sei das „Recht auf ein selbstbestimmtes Sterben“ Ausdruck persönlicher Autonomie des Suizidwilligen. Es schließe die Freiheit ein, sich das Leben zu nehmen und hierfür bei Dritten Hilfe zu suchen und – soweit sie angeboten wird – in Anspruch zu nehmen. Besonders wichtig ist jedoch aus ärztlicher Sicht: Niemand kann verpflichtet werden, eine solche Suizidhilfe zu leisten – und das gilt selbstverständlich auch für Ärztinnen und Ärzte.

Die BÄK hat deshalb als Orientierungshilfe für Ärztinnen und Ärzte „Hinweise der Bundesärztekammer zum ärztlichen Umgang mit Suizidalität und Todeswünschen nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu § 217 StGB“ erstellt.

BÄK-Papier skizziert den rechtlichen Handlungsrahmen

Neben der Beschreibung des komplexen Phänomens der Suizidalität und dem, was das Bundesverfassungsgericht unter einer „Suizidhilfe“ sowie einem „freiverantwortlichen Suizid“ versteht, wird in den Hinweisen der BÄK zum ärztlichen Umgang mit Suizidalität und Todeswünschen auch der rechtliche Handlungsrahmen skizziert. Es wird aufgezeigt, welche Handlungen, die in engem Zusammenhang mit der Umsetzung von Todeswünschen stehen, bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen straffrei sind.

In dem Papier werden die erlaubten Formen – also die Behandlungsbegrenzung und die Sterbebegleitung – und das nach wie vor Verbotene erläutert. Letzteres betrifft die Tötung auf Verlangen, aber auch andere Formen der Fremdtötung. Schließlich werden die betäubungsmittelrechtlichen Fragen im Zusammenhang mit der Durchführung eines Suizids aufgezeigt, die ebenfalls strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen können.

Vor allem jedoch legen die Hinweise dar, was zu den ärztlichen Aufgaben im Umfeld eines Suizids gehören kann und welche Handlungen eine Mitwirkung bei der Selbsttötung darstellen können.

In seinem Beschluss hat der 124. Deutsche Ärztetag 2021 bekräftigt, dass die Mitwirkung von Ärztinnen und Ärzten bei der Selbsttötung keine ärztliche Aufgabe ist (wir berichteten). Die Hinweise erläutern, was darunter im Detail zu verstehen ist. Die berufliche Tätigkeit umfasst – unter Achtung des Selbstbestimmungsrechtes der Patienten – Leben zu erhalten, Gesundheit zu schützen und wiederherzustellen sowie Leiden zu lindern und Sterbenden bis zum Tod beizustehen. Todeswünsche oder Suizidgedanken können daher vor allem Thema eines ergebnisoffenen Gesprächs im Rahmen eines vertrauensvollen Arzt-Patienten-Verhältnisses sein. Zu den ärztlichen Aufgaben zählen auch eine palliative oder die suizidpräventive Versorgung. Das ist den Berufsordnungen für Ärztinnen und Ärzten zu entnehmen.

Suizidhilfe nicht verpflichtend

Die individuelle ärztliche Entscheidung, einen Menschen bei einem Suizid zu unterstützen etwa durch Anleitung oder Verschreibung von Betäubungsmitteln, ist in konkreten Fällen berufsrechtlich zu respektieren. Eine unter Umständen auch geschäftsmäßige Hilfe zum Suizid erfolgt in eigener Verantwortung der handelnden Ärztin oder des handelnden Arztes. Sie sind dabei frei darin, die Hilfe auf bestimmte Lebens- oder Krankheitssituationen zu beschränken oder im Einzelfall andere, für sie persönlich wichtige Umstände und Kriterien zu berücksichtigen. Denn sie können nicht zur Suizidhilfe verpflichtet werden.

Aufgrund der Nichtigkeit des § 217 StGB wird die Hilfe zu einem freiverantwortlichen Suizid nicht mehr strafrechtlich verfolgt. Nach Änderung der Berufsordnungen in den Landesärztekammern wird dies auch nicht berufsrechtlich geahndet. Die betäubungsmittelrechtlichen Risiken, die im Zusammenhang mit der Verschreibung von zum Beispiel Natriumpentobarbital zum Zweck der Selbsttötung bestehen, sollten aber weiterhin beachtet werden.

Die „Hinweise der Bundesärztekammer zum ärztlichen Umgang mit Suizidalität und Todeswünschen nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu § 217 StGB“ beruhen auf den Beratungen im Ausschuss für ethische und medizinisch-juristische Grundsatzfragen und im Vorstand der Bundesärztekammer sowie auf der Grundsatzdebatte auf dem 124. Deutschen Ärztetag 2021. Sie wurden am 25. Juni 2021 vom Vorstand der Bundesärztekammer beschlossen.

Die Hinweise ersetzen nicht die „Grundsätze der Bundesärztekammer zur ärztlichen Sterbebegleitung“ aus dem Jahr 2011. Die gegenwärtig politisch erörterten Diskussions- und Gesetzesentwürfe hinsichtlich der Hilfe zur Selbsttötung sind ebenso wenig Gegenstand der Hinweise wie Positionen zu der vom Bundesverfassungsgericht angeregten normativen Ausgestaltung eines Schutzkonzepts im Zusammenhang mit der Suizidhilfe. Letzteres ist Aufgabe des Gesetzgebers.

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