Abdingung der Gebührenordnung

Deutsches Ärzteblatt 101, Heft 23 (04.06.2004), Seite A-1693

Bis 1982 war eine komplette Abdingung der privatärztlichen Gebührenordnung möglich. So konnten zum Beispiel ohne Bezugnahme auf das privatärztliche Gebührenverzeichnis Pauschalhonorare mit dem Patienten vereinbart werden. Auf Druck der privaten Krankenversicherung und der Beihilfe wurde diese uneingeschränkte Vertragsfreiheit zwischen Arzt und Patient im privatärztlichen Behandlungsverhältnis mit Einführung der neuen Amtlichen Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) auf die in § 2 der GOÄ zusammengefassten Bestimmungen eingeschränkt. Gegen die Einschränkung der Vertragsfreiheit wurden seinerzeit auch verfassungsrechtliche Bedenken geltend gemacht. Unter Hinweis auf die Schutzbedürftigkeit der Patienten wurde schließlich jedoch vom Bundesverfassungsgericht die Verfassungsmäßigkeit der in der Amtlichen GOÄ neu getroffenen Regelung festgestellt (vergleiche NJW 1992, 737).

Seit 1982 muss bei Abschluss einer abweichenden Honorarvereinbarung die GOÄ für privatärztliche Leistungen in jedem Fall Grundlage bleiben. Unter verbindlicher Bezugnahme auf eine bestimmte Leistung beziehungsweise Gebührenposition in der GOÄ kann nur der Steigerungssatz, nicht aber die Punktzahl für die Leistung oder ein abweichender Punktwert vereinbart werden. Eine Vereinbarung von Pauschalhonoraren ist nicht zulässig. Eine abweichende Honorarvereinbarung muss darüber hinaus vor Erbringung der Leistung erfolgen und aus Gründen der Rechtsklarheit und -sicherheit in einem gesonderten Schriftstück festgehalten werden, das außer den in § 2 Absatz 2 GOÄ genannten Inhalten keine weiteren Erklärungen enthalten darf, zum Beispiel auch keine etwaige Selbstverpflichtung des Patienten, das vereinbarte Honorar zu zahlen, auch wenn er keine volle Kostenerstattung dafür erhält. Angesichts des immer restriktiver werdenden Kostenerstattungsverhaltens der privaten Krankenversicherung und der Beihilfestellen, die nicht nur die Kosten für Gebühren oberhalb des maximal bis zum 3,5fachen reichenden Gebührenrahmens nicht erstatten, sondern nunmehr zunehmend Honorarforderungen schon bei Überschreiten der Begründungsschwelle (maximal 2,3facher Steigerungssatz) nicht mehr übernehmen wollen, wäre eine solche Vorgehensweise nachvollziehbar, ist aber nicht gebührenrechtskonform. Gemäß § 2 Absatz 2 GOÄ muss der Patient darüber aufgeklärt werden, dass im Falle einer abweichenden Honorarvereinbarung die Kostenerstattung "möglicherweise" - so noch der Originaltext der GOÄ - nicht in vollem Umfang gewährleistet ist. Auf diese mögliche "Finanzierungslücke" beziehungsweise den Selbstbehalt für den Patienten ist in dem gesonderten Schriftstück über die abweichende Honorarvereinbarung hinzuweisen.

Eine weitere Implikation in § 2 Absatz 2 GOÄ darf ebenfalls auf keinen Fall außer Acht gelassen werden. Die abweichende Honorarvereinbarung setzt "eine persönliche Absprache im Einzelfall" voraus. Das heißt: Der Patient muss in einem persönlichen Gespräch mit dem Arzt über die Modalitäten der Behandlung und der Vergütung informiert werden. Andernfalls, wenn zum Beispiel die Honorarvereinbarung ausschließlich durch eine im Vorzimmer geleistete Unterschrift unter einen Standardtext abgewickelt würde, kommt keine rechtswirksame Vereinbarung zustande.

Dr. med. Regina Klakow-Franck
(in: Deutsches Ärzteblatt 101, Heft 23 (04.06.2004), Seite A-1693)