Ungereimtheiten in Kapitel E

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Deutsches Ärzteblatt 100, Heft 27 (04.07.2003), Seite A-1893

Medizinisch-physikalische Leistungen sind grundsätzlich delegationsfähige Leistungen. Die Delegationsfähigkeit einer Leistung schließt nicht aus, dass diese nicht wie eine grundsätzlich persönlich durch den Arzt zu erbringende Leistung als "eigene" Leistung im Sinne von § 4 Absatz 2 GOÄ in Rechnung gestellt werden könnte. Voraussetzung hierfür ist, dass eine "durch fachliche Weisung geprägte Mitwirkung an der Leistungserbringung im Einzelfall" gewährleistet werden kann (siehe amtliche Begründung zur 4. Änderungsverordnung der GOÄ, BGBl. I, S. 1861 ff.). Die bloß routinemäßige Anordnung, zum Beispiel einer krankengymnastischen Behandlung, reicht nicht aus. Der Unterschied zwischen ärztlicher Sachleistung und ärztlich verordnetem medizinischen Heilmittel muss erkennbar sein.

Im Rahmen der letzten Teilnovellierung der GOÄ (1996) hat der Verordnungsgeber die Liquidationsfähigkeit medizinisch-physikalischer Leistungen als eigene wahlärztliche Leistungen zudem an den Nachweis der Teilgebietsbezeichnung "Physikalische Therapie" oder der Gebietsbezeichnung "Facharzt für Physikalische und Rehabilitative Medizin" geknüpft. Dies führt zu Ungereimtheiten bei den medizinisch-physikalischen Leistungen, die nicht zum Weiterbildungsinhalt der vom Verordnungsgeber geforderten physikalischen Therapie gehören, wie zum Beispiel die Phototherapie bei Neugeborenen-Ikterus. Andererseits wurde durch die Neuformulierung des Passus die Liquidationsfähigkeit delegierter Leistungen als eigene Leistungen - auch durch Wahlärzte - vom Verordnungsgeber damit anerkannt.

Dennoch wird gerade in jüngster Zeit die Liquidation medizinisch-physikalischer Leistungen durch Chefärzte der Orthopädie oder Unfallchirurgie von den privaten Krankenversicherungen zurückgewiesen, trotz nachweislicher Fachkunde, trotz täglicher gemeinsamer Visite mit dem Physiotherapeuten, trotz individueller Behandlungsplanung. Dabei geht es nicht um die ebenfalls strittige Abrechnung von Eisbeuteln als "Kaltpackung" nach Nr. 530 (30 Punkte), sondern um die prinzipielle Zurückweisung von physikalisch-medizinischen Leistungen als wahlärztliche Leistungen mit dem fragwürdigen Argument, physikalisch-medizinische Leistungen seien von den allgemeinen Krankenhausleistungen nach § 2 Absatz 2 Bundespflegesatzverordnung (BPflV) beziehungsweise durch den Pflegesatz abgedeckt. Als gebe es keine Honorarminderungspflicht nach § 6 a GOÄ zur Verhinderung einer Doppelbelastung des Privatpatienten, als müsse es sich bei wahlärztlichen Leistungen um "Anstatt-Leistungen" handeln, obwohl die Rechtsprechung längst Gegenteiliges entschieden hat (siehe Urteil OLG Karlsruhe vom 21. März 1990, Az.: 1 U 367/88).

Bei Beachtung der vom Verordnungsgeber vorgeschriebenen Auflagen im Zusammenhang mit der persönlichen Leistungserbringung dürfte die Holzhammermethode der Krankenversicherungsunternehmen nicht zum Erfolg führen.

Dr. med. Regina Klakow-Franck
(in: Deutsches Ärzteblatt 100, Heft 27 (04.07.2003), Seite A-1893)