Ärzteschaft sektorenübergreifend in Gesetzgebungsprozess einbeziehen

Reform der Notfallversorgung
Gesundheitspolitik

Zu den Empfehlungen der Krankenhauskommission für eine Reform der Notfallversorgung in Deutschland erklärt Bundesärztekammer-Präsident Dr. Klaus Reinhardt:

„Wir sprechen seit mehr als zehn Jahren über eine Reform der Notfallversorgung in Deutschland. Geschehen ist bisher nichts. Deshalb ist die wichtigste Nachricht des Tages, dass mit den Empfehlungen der Regierungskommission für eine Neuordnung der Akut- und Notfallversorgung endlich Bewegung in den festgefahrenen Reformprozess kommt. Viele Vorschläge sind nicht neu und decken sich teilweise mit unseren Konzepten bzw. waren bereits Bestandteil des von der Vorgängerregierung vorgelegten Referentenentwurfs aus dem Jahr 2020. Die Schwierigkeiten liegen bei der konkreten Umsetzung im Detail. Diese Reform wird nur gelingen, wenn die Kompetenzen derjenigen einbezogen werden, die über ärztliche Erfahrung in der Notfallversorgung verfügen. Zudem muss die sektorenübergreifende Expertise der Ärztekammern unbedingt in den Gesetzgebungsprozess einbezogen werden.

Die Zusammenführung der Notrufnummern 112 und 116117 zu einer integrierten Leitstelle kann helfen, die knappen Ressourcen effizienter einzusetzen und die Inanspruchnahme der Notfallversorgungsstrukturen sinnvoll zu steuern. Ansetzen muss man aber früh und der Bevölkerung zum Beispiel mit Hilfe von mehrsprachigen Aufklärungs- und Informationsangeboten ein besseres Verständnis über Funktionen und Abläufe einer Notaufnahme vermitteln.

Wenn nach einer Abklärung über die Leitstelle eine persönliche Vorstellung im Notdienst erforderlich ist, brauchen wir dafür eine von niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten sowie Krankenhäusern gemeinsam und kooperativ verantwortete Struktur. Die Vorschläge der Regierungskommission für die gemeinsamen Leitstellen und Integrierten Notfallzentren (INZ) können ein Ausgangspunkt für die weitere Entwicklung sein. Es ist gut, dass die Kommission in beiden Bereichen auf die Vernetzung und Kooperation vorhandener Strukturen setzt. Das ist grundlegend, damit eine echte Zusammenarbeit auf Augenhöhe gelebt werden kann.

Notdienstpraxen auch zu den normalen Sprechstundenzeiten zu öffnen, ist – auch vor dem Hintergrund knapper personeller Ressourcen – der falsche Ansatz. Das ist auch nicht erforderlich, weil Notfallpatienten während der Sprechstundenzeiten selbstverständlich in den haus- und fachärztlichen Praxen versorgt werden können. Die ambulanten Strukturen für diese wichtigen Aufgaben weiter zu stärken, sollte ebenfalls Bestandteil eines umfassenden Reformkonzeptes sein.

Schließlich ist es auch wenig hilfreich, die Etablierung einer Facharztbezeichnung Notfallmedizin zu fordern, die perspektivisch Voraussetzung für die Leitung von INZ sein soll. Natürlich ist für die Leitung der INZ eine entsprechende fachliche Qualifikation erforderlich. Nicht zuletzt auch dafür haben die Bundesärztekammer und die beteiligten Fachgesellschaften bereits im Jahr 2018 die Zusatzqualifikation Klinische Akut- und Notfallmedizin etabliert.

Trotz dieser Kritikpunkte sehe ich die Kommissionsvorschläge als Ausgangspunkt für die Entwicklung einer sinnvollen Reform.“