Post-Covid-Syndrom: BÄK fordert bessere Versorgung und intensivere Forschung

Corona-Pandemie

Berlin - „Bis zu 15 Prozent der Coronainfizierten entwickeln nach durchgestandener Infektion ein Post-Covid-Syndrom. Sie leiden häufig unter einer deutlich eingeschränkten Lebensqualität und Teilhabe, die bis zu einer Schul-, Ausbildungs- oder Arbeitsunfähigkeit führen kann. Bisher ist die Pathogenese der Erkrankung nur unvollständig verstanden und es gibt keine ursächlichen Therapien. Wir möchten mit unserer ärztlich-wissenschaftlichen Expertise dazu beitragen, die Versorgung der Betroffenen zu verbessern, die Prävention zu stärken und die Forschung zu den Langzeitfolgen einer Coronainfektion zu intensivieren. Denn wir möchten erreichen, dass politische Entscheidungen auf der Basis der bestmöglichen verfügbaren Evidenz gefällt werden.“

Das erklärt Dr. Klaus Reinhardt, Präsident der Bundesärztekammer (BÄK), anlässlich der Vorstellung der vom Wissenschaftlichen Beirat erarbeiteten Stellungnahme „Post-COVID-Syndrom (PCS)“ der Bundesärztekammer.

Neben krankhafter Erschöpfung (Fatigue) und Dyspnoe wird mit Symptomen wie Kopf-, Brust- und Gelenkschmerzen, Husten, Haarausfall, gastrointestinalen und neurologischen Symptomen, Kreislaufproblemen, Riech- und Geschmacksstörungen, Depressionen, Belastungsintoleranz und Aktivitätseinschränkungen klinisch ein breites Spektrum an Manifestationen beschrieben. Studien legen eine Assoziation dieser, unter dem Terminus „Post-COVID-Syndrom“ (PCS) subsumierten Symptome mit längerfristigen Gewebeschädigungen und strukturellen sowie funktionellen Schädigungen der betroffenen Organe nahe.

Welche Symptome treten bei PCS genau auf und wie werden sie verursacht? Wer kann betroffen sein und welche Behandlungsoptionen stehen zur Verfügung? Wie lassen sich Langzeitfolgen einer Corona-Infektion vermeiden? Und welche Handlungsempfehlungen für den Umgang mit PCS hat die Ärzteschaft an die Politik? Zu diesen und weiteren Fragen hat ein interdisziplinär besetzter Arbeitskreis des Wissenschaftlichen Beirats der Bundesärztekammer unter der Federführung von Prof. Dr. Michael Hallek die wissenschaftliche Literatur zum PCS in einem strukturierten, methodischen Review-Prozess gesichtet.

„Mit der Stellungnahme legen wir ein Kompendium der aktuell verfügbaren Datenlage vor, welches in dieser Form einzigartig sein dürfte“, erklärt Hallek. Allerdings stelle dies nur eine Momentaufnahme dar. „Die dynamische Pandemieentwicklung und auch die Mutationstendenz von SARS-CoV-2 führen dazu, dass sich wissenschaftliche Erkenntnisse schnell weiterentwickeln oder überholt sind.“ Die Forschung an PCS müsse daher nicht nur fortgeführt, sondern weiter ausgebaut werden.

Verbesserungsbedarf sieht Hallek auch im Hinblick auf die interdisziplinäre und sektorenverbindende Betreuung der Betroffenen. „Angesichts der hohen Zahl von PCS-Patienten und der Vielfältigkeit des Krankheitsbildes sollten differenzierte, regional vernetzte Behandlungskapazitäten aufgebaut werden“, so Hallek. Er schlägt vor, dazu bestehende Strukturen zu nutzen, gestuft auszubauen und zu qualifizieren.

Für BÄK-Präsident Reinhardt ist die Identifizierung zielgerichteter Therapieansätze von großer Wichtigkeit. So gebe es unter anderem Hinweise, dass aktive Rehabilitationsmaßnahmen die Folgen des PCS verringern könnten. „Hier müssen die medizinische Versorgungsebene und die Forschung eng zusammenarbeiten und auch eine rasche Translation von Forschungsergebnissen in die medizinische Versorgung sicherstellen“, fordert er.

Die Stellungnahme richtet sich an Ärztinnen und Ärzte, Betroffene, die interessierte Öffentlichkeit und nicht zuletzt an die Politik. „Jetzt ist der richtige Zeitpunkt, politisch aktiv zu werden und die Weichen für den weiteren Umgang mit PCS zu stellen“, unterstreicht Reinhardt. Darauf hätten insbesondere die Betroffenen einen Anspruch, aber auch alle anderen. Die Ärzteschaft stehe mit ihrer fachlichen Expertise der Politik gern als Ansprechpartner zur Verfügung.