Schleswig-Holstein: Versorgung von Menschen mit Demenz vor und in der Pandemie

Schleswig-Holstein

Bad Segeberg - 50 bis 60 Prozent der pflegebedürftigen Menschen in Deutschland sind an einer Demenz erkrankt. Allein in Schleswig-Holstein leben circa 60.000 Menschen mit Demenz – Tendenz steigend. Die Strukturen der ambulanten wie stationären Diagnostik, Behandlung und Pflege stellen im Flächenland Schleswig-Holstein zudem eine besondere Herausforderung dar. Diese strukturellen Hemmnisse haben sich im Rahmen der in der Coronapandemie herrschenden Maßnahmen verstärkt. Was kann man dagegen tun?

Versorgung auf einem guten Weg – oder „Vor der Pandemie“
„Die Diagnose trifft Betroffene wie Angehörige oft schwer, verbindet man mit ihr oft eine irreversible Krankheit, bei dem die Betroffenen ihre individuellen Freiheiten sukzessive einbüßen“, so Prof. Dr. Henrik Herrmann, Präsident der Ärztekammer Schleswig-Holstein (ÄKSH), „Der Umgang mit und die Pflege oder Betreuung von Menschen mit Demenz kann je nach Schweregrad sehr zeitintensiv sein. In jedem Fall wirkt sich die Krankheit jedoch auf das ganze Leben der Menschen aus.“ Zur Bewältigung der Herausforderung bei der Versorgung von Menschen mit Demenz wurde bereits 2011 das Kompetenzzentrum Demenz unter Trägerschaft der Alzheimer Gesellschaft Schleswig-Holstein e. V. und der fachlichen Unterstützung der Ärztekammer Schleswig-Holstein (ÄKSH) initiiert. „Das Kompetenzzentrum Demenz ist eine wichtige Schnittstelle bei der Gesamtversorgung von Menschen mit Demenz, bei sozialmedizinische Fragen und unterstützt mit Hilfestellungen und gibt Anreize zur Selbsthilfe,“ so Prof. Dr. Hans-Christian Hansen, Arzt für Neurologie und Nervenheilkunde mit der Zusatzbezeichnung neurologische Intensivmedizin und Geriatrie, Chefarzt der Neurologie am Friedrich-Ebert-Krankenhaus in Neumünster und Delegierter der ÄKSH im Beirat des Kompetenzzentrums. Ziel des Kompetenzzentrum ist somit, Versorgungsstrukturen des Landes Schleswig-Holstein im Bereich Demenz auszuweiten, zu verbessern und qualitätsgesichert zu erhalten. Hierbei koordiniert es Projekte und setzt auf die Kooperation aller beteiligter, medizinischer Fachdisziplinen und ehrenamtlicher Unterstützer.

Neue Herausforderungen – oder „Während der Pandemie“
Seit Beginn der Coronapandemie steht jedoch die Arbeit mit Menschen mit Demenz vor neuen zusätzlichen  Herausforderungen. „Menschen mit Demenz und ihre Zugehörigen haben besonders unter der Pandemie zu leiden. Für die Betroffenen in der Häuslichkeit oder in Pflegeeinrichtungen ist es schwer, die Hygiene- und Abstandsmaßnahmen zu begreifen und zu verinnerlichen“, weiß Swen Staack, Projektleiter des Kompetenzzentrum Demenz und Geschäftsführer der Alzheimer Gesellschaft in Schleswig-Holstein. Der Diplom-Sozialpädagoge kritisiert, dass in Heimen trotz erfolgter vollständiger Impfung weiterhin Maskenpflicht sowie oftmals strenge Besucherregelungen und Kontakteinschränkungen für die Bewohner*innen untereinander herrschten. Entlastungsangebote und Helferkreise für Menschen mit Demenz, die Zuhause wohnen,  seien außerdem noch nicht überall in dem Maße verfügbar, wie vor der Pandemie. „Die vermehrte Isolation, der fehlende Körperkontakt und die Reduzierung von Förderangeboten haben Auswirkungen auf den seelisch-geistigen und körperlichen  Gesundheitszustand. Als Folge sind die dementiellen Symptome stärker vorangeschritten, Begleiterscheinungen haben sich verstärkt und die Sicherheit bei der Mobilität hat abgenommen“, warnt Staack.

Wie weiter? - oder „Neue Wege in der Pandemie“
„Mittlerweile sollte jedem klar sein, dass sich die Pandemie auf alle Lebensbereiche in der Gesellschaft auswirkt. Am Härtesten trifft sie jedoch die vorerkrankten Menschen oder Menschen, die ohnehin auf Unterstützung angewiesen sind. Daher ist es wichtig, die Auswirkungen auf die Betroffenen zu analysieren und daraus konkrete Lösungen zu erarbeiten“, so Herrmann. Die Alzheimer Gesellschaft Schleswig-Holstein hat  ihre Angebote entsprechend verändern und in den digitalen Raum verlegt, selten jedoch verschoben. Das Kompetenzzentrum Demenz konnte zwar einige innovative Ideen nicht umsetzen, dafür haben sich die Mitarbeiter*innen seit September auf digitale Fortbildungen eingestellt. Anfang Mai startete ein Projekt, bei dem ein Beratungsmobil für die nächsten drei Jahre in ländlichen Gegenden der Kreise Dithmarschen, Herzogtum Lauenburg und Plön sein psychosoziales Beratungsangebot auf die Marktplätze bringt.
„Versorgung ist kein starres Konzept. Orientiert man sich an den Patient*innen oder Betroffenen findet die sektorverbindende Zusammenarbeit aller Beteiligten immer einen Weg, gute Versorgung hervorzubringen“, meint Kammerpräsident Herrmann.

Heute beginnt die „Norddeutsche Fachwoche Demenz“. Sie steht unter dem Motto „Auswirkungen der Corona-Pandemie auf Menschen mit Demenz und deren Angehörige – Zukunftsperspektiven für die Unterstützung“. Zwischen dem 17. und 21. Mai finden jeden Tag von 15:00 bis 17:00 Uhr Online-Vorträge und Diskussionen statt.

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