Fachfremdheit von Leistungen - auch in der GOÄ?

Deutsches Ärzteblatt 100, Heft 25 (20.06.2003), Seite A-1765

In der Amtlichen Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) werden nichtgebietsbezogene Sonderleistungen von gebietsbezogenen Leistungen unterschieden. Die Abschnitte D bis P der GOÄ bilden jeweils typische Kernleistungen der einzelnen Fachgebiete ab, nicht jedoch die Gebietsgrenzen nach der Weiterbildungsordnung. Ein Gynäkologe zum Beispiel darf, ja muss sogar eine Brustoperation nach Abschnitt L GOÄ (Chirurgie, Orthopädie) abrechnen, da Abschnitt H (Geburtshilfe und Gynäkologie) keine Gebührenposition für Eingriffe an der Brust enthält.

Klagen über "Wilderei" in gebietsfremden Abschnitten gibt es, wenn Zweifel an einer adäquaten Erfüllung des Leistungsinhalts bestehen. So werden insbesondere die Gebührenpositionen des Abschnitts G (Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie), die fachspezifische Inhalte abbilden, zum Beispiel Nr. 800 GOÄ (eingehende neurologische Untersuchung - gegebenenfalls einschließlich der Untersuchung des Augenhintergrunds, 195 Punkte), für nichtgebietsbezogene Leistungen (zum Beispiel für eine orientierende neurologische Untersuchung) angesetzt, die korrekt nach Gebührenpositionen des Abschnitts B hätten berechnet werden müssen (zum Beispiel nach Nr. 5 GOÄ, 80 Punkte, oder bei einer umfassenderen Untersuchung nach Nr. 7 GOÄ, 160 Punkte).

Nach der Berufsordnung darf ein Arzt, der eine Gebietsbezeichnung führt, nur innerhalb der Grenzen seines Gebiets tätig werden. Eine generelle Begrenzung der Abrechnungsfähigkeit auf Leistungen des eigenen Fachgebiets lässt sich allerdings aus der GOÄ nicht ableiten. Die gebührenrechtliche Definition dessen, was der Arzt abrechnen kann ("eigene Leistungen" nach § 4 Absatz 2 GOÄ), gerät mit den berufsrechtlichen Vorschriften, was der Arzt machen darf, insbesondere dann in Konflikt, wenn die medizinisch-technische Entwicklung vorauseilt und neue Untersuchungs- oder Behandlungsmethoden von der Weiterbildungsordnung noch nicht namentlich erfasst worden sind. Widerspruch erregt beispielsweise die Durchführung und Abrechnung von Magnet-Resonanz-Tomographie-Untersuchungen (MRT) durch Orthopäden. Nach der geltenden Rechtsprechung verstößt dies jedoch nicht gegen die Berufsordnung, weil die "Erkennung" von Funktionsstörungen der Bewegungsorgane Bestandteil der Weiterbildung im Gebiet der Orthopädie ist, ohne dass bestimmte Untersuchungsmethoden ausgegrenzt wären (siehe Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Urteil vom 22. September 1998, Az.: 6 U 48/98). Außerdem schlagen "etwaige Beschränkungen aus dem Berufsrecht nicht auf das privatrechtliche Verhältnis zwischen Arzt und Patient durch" (siehe Amtsgericht München, Urteil vom 6. Dezember 2002, Az.: 274 C 18623/02).

Die privatärztliche Erbringung von Leistungen, die nicht zu den Kernleistungen seines Gebiets gehören, kann dem Arzt also nicht ohne weiteres untersagt werden. Ist die erforderliche Qualifikation oder die besondere Praxisausstattung, die zur sachgerechten Durchführung der Leistung erforderlich sind, aber nicht gewährleistet, muss nicht nur mit haftungsrechtlichen, sondern auch mit berufsrechtlichen Konsequenzen gerechnet werden.

Dr. med. Regina Klakow-Franck
(in: Deutsches Ärzteblatt 100, Heft 25 (20.06.2003), Seite A-1765)