Neue Entscheidung zum Zielleistungsprinzip

Deutsches Ärzteblatt 106, Heft 5 (30.01.2009),  S. A-21

Mit dem Urteil vom 5. Juni 2008 (Az.: III ZR 239/07) führt der Bundesgerichtshof (BGH) seine Rechtsprechung zum Zielleistungsprinzip konsequent fort. Anlass für die Entscheidung waren Honoraransprüche aus einer Wahlleistungsvereinbarung, die nach einem operativen Eingriff wegen eines Bronchialkarzinoms geltend gemacht wurden. Der Streit entzündete sich darüber, welche Leistungen neben den Zielleistungen nach den Nrn. 2997 (Lobektomie und Lungensegmentresektion) und 3013 (Intrathorakaler Eingriff am Lymphgefäßsystem) des Gebührenverzeichnisses der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) abrechenbar sind.

Der BGH kam zu dem Schluss, dass die Dekortikation der Lunge nach Nr. 2975 des Gebührenverzeichnisses nicht Bestandteil der in der Nr. 2997 mit Lobektomie und Lungensegmentresektion(en) beschriebenen Zielleistung sei. Begründet wurde dies mit den Regelungen in § 4 Abs. 2 a GOÄ. Danach kann der Arzt für eine Leistung, die Bestandteil oder eine besondere Ausführung einer anderen Leistung nach dem Gebührenverzeichnis ist, eine Gebühr nicht berechnen, wenn er für die andere Leistung eine Gebühr in Rechnung stellt. Dies gilt auch für die zur Erbringung der im Gebührenverzeichnis aufgeführten operativen Leistungen methodisch notwendigen operativen Einzelschritte. Konkretisiert wird die Bestimmung in dem Abschnitt L (Chirurgie, Orthopädie) insoweit, als es dort heißt, dass zur Erbringung der in diesem Abschnitt aufgeführten typischen operativen Leistungen in der Regel mehrere operative Einzelschritte erforderlich sind und dass diese Einzelschritte, soweit sie methodisch notwendige Bestandteile der in der jeweiligen Leistungsbeschreibung genannten Zielleistung sind, nicht gesondert berechnet werden können.

Zweck der Bestimmungen zum Zielleistungsprinzip ist es, eine Doppelhonorierung von Leistungen zu verhindern. „Der Arzt darf ein und dieselbe Leistung, die zugleich Bestandteil einer von ihm gleichfalls vorgenommenen umfassenderen Leistung ist, nicht zweimal abrechnen. Daraus folgt zugleich die Selbstverständlichkeit, dass Leistungen, die nicht Bestandteil einer anderen abgerechneten Leistung sind, abrechenbar sind, soweit es sich um selbstständige Leistungen handelt“, so der BGH in diesem Urteil.

Sodann stellt sich die Frage, nach welchen Kriterien beziehungsweise nach welchem Maßstab ein Gericht im Einzelfall zu beurteilen hat, ob einzelne Leistungen methodisch notwendige Bestandteile der in der jeweiligen Leistungsbeschreibung genannten Zielleistung sind. Der BGH vertritt die Auffassung, dass dies nicht danach beurteilt werden könne, ob die Leistungen im konkreten Einzelfall nach den Regeln ärztlicher Kunst notwendig seien, damit die Zielleistung erbracht werden könne. Vielmehr seien bei Anlegung eines abstrakt-generellen Maßstabs wegen des abrechnungstechnischen Zwecks dieser Bestimmungen vor allem der Inhalt und der systematische Zusammenhang der Gebührenordnungspositionen zu beachten und deren Bewertung zu berücksichtigen.

Gemessen an diesen Grundsätzen könne die besondere Berechnungsfähigkeit der Leistungen nach der Nr. 2975 (Dekortikation der Lunge) des Gebührenverzeichnisses nicht verneint werden. Dabei hebt der BGH besonders hervor, dass weder in der Leistungsbeschreibung noch in der Bewertung ein Anhaltspunkt dafür gegeben sei, wonach die mit 4 800 Punkten bewertete Leistung nach Nr. 2975 in der mit 5 100 Punkten nur unwesentlich höher bewerteten Leistung nach Nr. 2997 enthalten sei oder als deren besondere Ausführung im Sinne des § 4 Abs. 2 a S. 1 GOÄ zu behandeln wäre. Auch wenn noch die in beiden Gebührennummern enthaltenen 1 110 Punkte für die Eröffnung der Brusthöhle zu berücksichtigen seien, ergebe sich kein anderes Ergebnis, als in der Leistung nach Nr. 2975 eine selbstständige im Sinne des § 4 Abs. 2 a S. 1 GOÄ zu sehen.

Dr. jur. Marlis Hübner
Deutsches Ärzteblatt 106, Heft 5 (30.01.2009), S. A-21