Grundprinzipien

Das Peer-Review-Verfahren zeichnet sich durch Grundprinzipien aus, die das Wesen des Peer Reviews definieren. Sie schaffen eine Atmosphäre des Vertrauens und der Gegenseitigkeit und die Voraussetzungen für den wohlwollend kritischen Austausch unter Kollegen.

  • Freiwilligkeit

    Die Freiwilligkeit von Peer Reviews zeigt sich darin, dass z.B. eine Krankenhausabteilung oder eine Arztpraxis selbst entscheidet, an einem Verfahren teilzunehmen. Dabei gibt es keinerlei äußeren Druck oder Zwang, ein Peer-Team zu sich einzuladen. Wichtig ist, dass die Entscheidung zu einer Teilnahme an einem Peer Review nicht „von oben“ kommt. Das Peer Review kann ebenso freiwillig sein, wenn z.B. die (ebenso freiwillige) Teilnahme an einem Netzwerk oder einem Arztnetz mit der Vorgabe verbunden ist, regelmäßig, oder bei bestimmten Aufgreifkriterien an Peer Reviews teilzunehmen. Die prinzipielle Freiwilligkeit von Peer Reviews ist eine wichtige Voraussetzung für die Offenheit und Vertraulichkeit innerhalb des Verfahrens. Die Peers sind dadurch eher bereit, Probleme offen anzusprechen und kollegiale Kritik anzunehmen. Durch die Einbindung des Teams  können die Erkenntnisse aus dem Peer Review leichter in die tägliche Arbeit integriert und umgesetzt werden. Darüber wird wiederum eine steigende Akzeptanz des Verfahrens und Teilnahmebereitschaft erreicht.

    Obwohl der wahrgenommene Nutzen von Peer Reviews als sehr hoch bewertet wird, erfordert die Freiwilligkeit natürlich eine hohe Eigenmotivation. Aus diesem Grund wird häufig diskutiert, Peer Reviews verpflichtend vorzuschreiben. Die obligatorische Vorgabe in Form einer Richtlinie oder eines Gesetzes konterkariert aber das, was das Verfahren so erfolgreich macht: die vertrauliche und offene Atmosphäre unter Kollegen, die Sanktionsfreiheit und die gemeinsame Erarbeitung von Lösungen – ohne Zwang.


  • Gegenseitigkeit

    Peer Reviews beruhen auf dem Prinzip der Gegenseitigkeit. Das heißt, dass Nutzen und Aufwand bei allen beteiligten Einrichtungen fair verteilt sein sollten. Durch die wechselseitigen Besuche wird der kooperative und partnerschaftliche Ansatz des voneinander Lernens unterstrichen. Ein weiterer positiver Effekt ist die Vernetzung der Peers. Außerdem entstehen keine Kosten: die einladende Einrichtung kommt für die Reisekosten der besuchenden Peers auf. Im Gegenzug sollte jedes besuchte Krankenhaus oder besuchte Praxis ebenso Peers freistellen, die eine andere Einrichtung besuchen können.


  • Sanktionsfreiheit

    Peer Reviews dienen der Reflexion der eigenen Tätigkeit. Das „Herzstück“ des Verfahrens ist somit der offene und ehrliche Austausch unter Kollegen. Es werden gemeinsam QS- oder QM-Maßnahmen entwickelt, um möglichen Problemen zu begegnen. Die Peers sind dabei keine Kontrolleure, weder während des Besuches noch danach. Ihre Aufgabe ist es vielmehr, das interne Lernen zu unterstützen und einen Ansatz für gezielte Verbesserungsmaßnahmen zu liefern.

    Die Ergebnisse eines Peer Reviews sollen für die betroffene Einrichtung nicht mit dem „Stigma des Versagens“ – weder auf persönlicher noch auf Organisationsebene – behaftet sein und keine Sanktionen oder arbeitsrechtlichen Maßnahmen nach sich ziehen. Sie verbleiben stattdessen in der Einrichtung, wo sie dann eigenverantwortlich genutzt werden können. So entsteht ein bedrohungsfreies Klima, in dem Vertrauen, Respekt und Wertschätzung im Vordergrund stehen und mit den Ergebnissen des Peer Reviews konstruktiv umgegangen und Kritik angenommen wird.


  • Güte des Verfahrens

    Bei vielen Peer Reviews treffen verschiedene Peers aufeinander, die sich vorher noch nicht begegnet sind. Das Verfahren ist zwar freiwillig und kollegial, jedoch soll es auch nicht unstrukturiert durchgeführt werden. Aus diesem Grund ist es wichtig, dass sich alle Peers an Regeln halten. Jedes Peer-Review-Verfahren verfügt daher über einen Verfahrensrahmen. Darin werden Verantwortlichkeiten festlegt und die strukturierte Vor- und Nachbereitung, der zeitliche Rahmen oder Maßnahmen zum Datenschutz beschrieben. Aber vor allem werden dort auch die Bewertungskriterien definiert, anhand derer die Peers die Arbeit in der besuchten Einrichtung beurteilen und bewerten. Dies setzt einen klaren, verlässlichen Rahmen für die Beteiligten und fördert damit auch das gegenseitige Vertrauen. In dem Verfahrensrahmen wird beispielsweise auch empfohlen, dass gemeinsam vereinbarte inhaltliche Handlungsempfehlungen für die besuchte Einrichtung auch wirklich umsetzbar sind. 


  • Kompetenz der Peers

    Um auf Augenhöhe kommunizieren zu können ist es sehr wichtig, dass die Peers über eine hohe Fachkompetenz und viel Erfahrung in ihrem Gebiet verfügen. Peer Teams sind so zusammengesetzt, dass die besuchenden Peers ein ähnliches Kompetenzniveau haben wie die Peers in der Einrichtung, die sie besuchen. Die Rolle der Peers zeichnet sich aber nicht nur durch ihr fachliches Wissen aus, sie verfügen auch über besondere Kommunikationsfähigkeiten, um wohlwollende Kritik üben zu können und ihrer Rolle als kritischen Freund bestmöglich gerecht zu werden. Aus diesem Grund nehmen Peers vor ihrem ersten Peer Review an einer Schulung teil, die von den  Landesärztekammern angeboten wird. Hier werden sie besonders im Hinblick auf Kommunikation geschult, erlernen aber auch die bestimmten Abläufe und Verfahrensweisen des jeweiligen Peer-Review-Verfahrens.