BÄK: Die primärärztliche Versorgung zum Normalfall machen
„Die Gesundheitsversorgung in Deutschland steht vor massiven Herausforderungen, die Mut für Veränderungen und tiefgreifende Strukturreformen erfordern. Unter anderem brauchen wir einen strukturierteren Zugang zu Gesundheitsleistungen, klar definierte Behandlungspfade und mehr sektoren- und berufsgruppenübergreifende Zusammenarbeit.“ Das sagte BÄK-Präsident Dr. Klaus Reinhardt heute anlässlich der Veröffentlichung des Konzeptpapiers der Bundesärztekammer „Koordination und Orientierung in der Versorgung“ in Berlin.
Dem Papier zufolge soll die primärärztliche Versorgung zum Normalfall werden. Die primärärztliche Versorgung erfolgt in der Regel durch eine Hausärztin beziehungsweise einen Hausarzt. Dafür sollen die Patientinnen und Patienten eine Arztpraxis verbindlich wählen. Dieser „erste Anlaufpunkt“ übernimmt für alle gesundheitlichen Anliegen die primärärztliche Versorgung sowie die Koordination einer notwendigen Weiterbehandlung bei Fachärztinnen und Fachärzten. Bei Patientinnen und Patienten mit einer besonders im Vordergrund stehenden chronischen Erkrankung, die eine intensive und kontinuierliche fachärztliche Versorgung erfordert, kann die Behandlungskoordination durch die behandelnde Fachärztin bzw. den behandelnden Facharzt erfolgen.
Das Primärarztsystem müsse so sinnvoll gestaltet sein, dass es nicht zu einer unnötigen Mehrbelastung ärztlicher Einrichtungen führt. „Eine Überweisung der Patientin bzw. des Patienten durch Hausärztinnen und Hausärzte soll kein Gatekeeping sein, sondern dann erfolgen, wenn ein interdisziplinärer Ansatz erforderlich oder absehbar ist”, heißt es in dem Papier.
Um Verbindlichkeit zu erreichen, sollte die Einschreibung in eine primärärztliche Praxis in der Regel für mindestens zwölf Monate erfolgen. Finanzielle Steuerungsinstrumente sollten erst dann erwogen werden, wenn sich das System etabliert hat und unter anderem ein verlässlicher und schneller Zugang in die jeweiligen Versorgungsstrukturen gegeben ist.
„Perspektivisch muss das Prinzip ‚digital vor ambulant vor stationär‘ genutzt werden, um die Ressourcen der jeweiligen Versorgungsebenen optimal zu nutzen und Patientinnen und Patienten frühzeitig und niederschwellig auf ihrem Weg in eine bedarfsgerechte Versorgung zu unterstützen und zu leiten“, fordert die BÄK. Maßgeblich sei hierbei, dass digitale und telemedizinische Angebote unter Einbindung der ärztlichen Selbstverwaltung weiterentwickelt und im etablierten System (116 117) angeboten werden.
Außerdem sollten die interprofessionelle Versorgung in Teamstrukturen und die Stärkung sektorenverbindender Versorgung als ganzheitlicher Ansatz einer zukünftigen Gesundheitsversorgung betrachtet werden.
Reinhardt begrüßte, dass sich auch Union und SPD in ihrem Koalitionsvertrag für mehr Steuerung in der Patientenversorgung aussprechen. „Entscheidend ist, dass alle betroffenen Akteure frühzeitig in den Prozess eingebunden werden, um die Reform von der Konzeption bis zur konkreten Umsetzung eng zu begleiten“, betonte der BÄK-Präsident.