Reine Proforma-Beteiligung im Stellungnahmeprozess gefährdet Demokratie

Gesundheitspolitik

Berlin - Bundesärztekammer-Präsident Dr. Klaus Reinhardt hat die Zurücknahme der neue Corona-Testverordnung und eine enge und konstruktive Zusammenarbeit mit der Ärzteschaft gefordert, um eine pragmatische Verordnung zu erarbeiten.

„Der Verordnungsentwurf des Bundesgesundheitsministeriums löst keine Probleme, sondern schafft nur neue. Er ist Sinnbild für eine praxisferne Politik ohne jeden Bezug zu den konkreten Anforderungen und Abläufen in der Patientenversorgung“, sagte Bundesärztekammer-Präsident Dr. Klaus Reinhardt dem Deutschen Ärzteblatt (03.07.2022). Es gebe gute Gründe, die kostenfreie, anlasslose Testung aller Bürgerrinnen und Bürger in der gegenwärtigen pandemischen Lage zu überdenken.

Wenn den Organisationen aus dem Gesundheitswesen im Stellungnahmeverfahren zu der Verordnung gerade einmal vier Stunden Zeit gelassen würden, um sich mit ihrer Expertise einzubringen, dürfe sich nicht über solche „Bürokratietorpedos“ gewundert werden.

„Expertenanhörungen und Stellungnahmeverfahren sind aus gutem Grund feste Bestandteile von Verordnungs- und Gesetzgebungsprozessen“, betonte Reinhardt. Eine „reine Proforma-Beteiligung“ der von der Verordnung betroffenen Akteure sei unter Demokratiegesichtspunkten problematisch und „führt letztlich zu einer bedenklichen Dehnung unseres Rechtstaates“.

Tragfähige Corona-Strategie für Schulen und Kitas entwickeln

Mit Blick auf das am vergangenen Freitag vorgestellte Gutachten der Corona-Sachverständigen forderte der BÄK-Präsident eine gezielte Schutz-Strategie für Kinder und Jugendliche für den Herbst.

„Wir brauchen jetzt einen Runden Tisch von Gesundheits- und Kultusministern sowie mit Ärzten, Pädagogen und anderen wissenschaftlichen Disziplinen, um eine tragfähige Corona-Strategie für Schulen und Kitas zu entwickeln“, sagte er den Zeitungen der Funke Mediengruppe (02.07.2022).

Es sei bedenklich, dass die Auswirkungen von Schulschließungen auf das Infektionsgeschehen kaum wissenschaftlich belegt seien. Dagegen zeigten zahlreiche Studien deutlich die massiven psychischen und körperlichen Folgen von sozialer Isolation für Kinder und Jugendliche. Wechselunterricht und Schulschließungen dürften, wenn überhaupt, nur die Ultima-Ratio sein.

„Wir brauchen konkrete gesetzgeberische Schritte, inklusive ausreichender Haushaltsmittel unter anderem zur Förderung der Pandemieforschung und zur Offenhaltung der Schulen. Vor allem brauchen wir mehr psychosoziale Hilfsangebote für Kinder und Jugendliche, die bis heute unter den Folgen von Schulschließungen und Kontaktbeschränkungen leiden“, forderte Reinhardt.