Histopathologie: Ein "Material" (1)

Deutsches Ärzteblatt 103, Heft 7 (17.02.2006), Seite A-427

Der Begriff "Material" wird in der Amtlichen Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) in Bezug auf histopathologische Untersuchungen nicht definiert - weder vor Abschnitt N (Histologie, Zytologie und Zytogenetik) noch im Unterabschnitt NI. Daher wird üblicherweise die Definition aus dem Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM 2000plus) herangezogen. Ein "Material" kann demnach definiert werden als

  • ein Organ einheitlicher histologischer Struktur,
  • ein Gewebe einheitlicher histologischer Struktur,
  • ein Organteil unterschiedlich definierter histologischer Struktur beziehungsweise unterschiedlich definierter Lokalisation oder
  • ein Gewebeteil unterschiedlich definierter histologischer Struktur beziehungsweise unterschiedlich definierter Lokalisation.

Die Definition des Materials als ein "Organ einheitlicher histologischer Struktur" klingt einfach. Ein Organ einheitlicher histologischer Struktur ist zum Beispiel ein Lymphknoten. Viele Organe zeichnen sich jedoch gerade dadurch aus, dass sie physiologischerweise aus mehreren Organteilen und/oder Geweben mit unterschiedlichen histologischen Strukturen bestehen. Das Organ Magen hat beispielsweise drei Organteile, die sich durch eine unterschiedliche histologische Struktur auszeichnen (Cardia, Corpus und Antrum). Das Organ Mamma besteht natürlicherweise aus mehreren Geweben unterschiedlicher histologischer Struktur wie Drüsen- und Fettgewebe. Wenn es sich um ein Operationspräparat der Mamma handelt, können zusätzlich (je nach Präparat) histologisch Haut, Unterhaut, Muskelfaszie, Tumoranteile und/oder eine Wundhöhle unterschieden werden.

"Gewebe einheitlicher histologischer Struktur" sind beispielsweise Samenleiter, die im Rahmen einer Vasektomie entfernt werden. Allerdings handelt es sich auch hier um zwei "Materialien", weil die Lokalisation unterschiedlich ist (rechter/linker Samenleiter).

Ein weiterer Punkt der Definition eines "Materials" ist neben der histologischen Struktur die Lokalisation. So haben beispielsweise Biopsien der Prostata in der Regel eine einheitliche histologische Struktur. Bei der Entnahme dieser Proben definiert der Urologe jedoch unterschiedliche Lokalisationen, die er dem Pathologen übermittelt. Diese Unterscheidung ist notwendig, um bei Vorliegen eines Prostatakarzinoms Lokalisation und Volumen des Tumors bestimmen und daraus auf Art und Umfang der Therapie schließen zu können. Es handelt sich demnach in der Regel um Proben von einheitlicher histologischer Struktur, aber unterschiedlich definierter Lokalisation. Die Berechnung der Nummer 4802 GOÄ je Probe ist hier notwendig und zulässig (Amtsgericht Düsseldorf, Az.: 41 11502/05).

Im Wesentlichen kann man also die Definition "ein Material" in Bezug auf die Leistungen in Abschnitt NI der GOÄ auf die Punkte einheitliche histologische Struktur versus nicht einheitliche histologische Struktur und/oder einheitliche Lokalisation versus unterschiedlicher Lokalisation reduzieren (Amtsgericht Hamburg, Az.: 18B C 235/00, und Amtsgericht Weilburg, Az.: 5 C 411/00).

Weitere Beispiele zur Veranschaulichung dieser Thematik folgen im nächsten GOÄ-Ratgeber in 14 Tagen.

Dr. med. Anja Pieritz
(in: Deutsches Ärzteblatt 103, Heft 7 (17.02.2006), Seite A-427)