Nr. 2113 neben Nr. 2151: Trendwende im Zielleistungsstreit?

Deutsches Ärzteblatt 100, Heft 23 (06.06.2003), Seite A-1629

Von der Neufassung des § 4 Abs. 2 a GOÄ im Jahr 1996 hatte sich der Verordnungsgeber eine Präzisierung des so genannten Zielleistungsprinzips, insbesondere für die operativen Fachgebiete, erhofft. Stattdessen aber ist eine Eskalation der Zielleistungsstreitigkeiten aufgetreten, auch, weil private Krankenversicherungen das Zielleistungsprinzip zum Zweck der Vergütungsabsenkung etablierter Leistungen zu instrumentalisieren versuchen.

Das Zielleistungsprinzip soll die unzulässige Doppelberechnung von Leistungsbestandteilen verhindern, die entsteht, wenn anstelle oder zusätzlich zu einer umfassenderen Gebührenposition (zum Beispiel für eine Bauchoperation) die einzelnen Teilschritte (zum Beispiel für die Bauchdeckeneröffnung und den Wundverschluss sowie den Verband) addiert werden. Die Verhinderung artifizieller, baukastenartiger Mengenerweiterungen ist ein Ziel, das Dietrich Brück, Begründer des Kommentars zur Gebührenordnung für Ärzte (herausgegeben vom Deutschen Ärzte-Verlag), seit In-Kraft-Treten der ersten GOÄ im Jahr 1965 kompromisslos vorangetrieben hat. "Zielleistung" und "Hilfs- oder Begleitverrichtung" sind begriffliche Interpretationshilfen, die von Brück etabliert wurden.

Folgt aus dem Zielleistungsprinzip aber, dass jede medizinisch erforderliche Erweiterung von Behandlungszielen und Operationstechniken unter eine einzige Zielleistung beziehungsweise eine einzige Gebührenposition subsumiert werden muss? Nach Auffassung der Autoren des GOÄ-Kommentars "Abrechnung von Arzt- und Krankenhausleistungen", Uleer, Miebach und Patt, ist es unerheblich, ob es sich um einen standardmäßigen Teilschritt auf dem Weg zum Leistungsziel handelt oder ob die Teilleistung nur in Ausnahmefällen, zum Beispiel bei Vorliegen besonderer Indikationen, erbracht wird - alle Variationen sind einer Gebührenposition zuzuordnen, die Bandbereite der verschiedenen Einzelfälle ist über den Gebührenrahmen abzubilden.

Dieser extensiven Interpretation des Zielleistungsgedankens wird aktuell vom Landgericht Karlsruhe im Zusammenhang unter anderem mit der Berechnung einer Synovektomie nach Nr. 2113 neben Nr. 2151 (Hüftgelenks-TEP) widersprochen. In den Entscheidungsgründen differenziert das Gericht sehr genau in "medizinisch notwendige Schritte" zur Herbeiführung des Operationserfolgs und "methodisch notwendige Schritte" im Sinne von § 4 Abs. 2 a GOÄ: "Dabei ist, weil die GOÄ mit ihren Formulierungen auf die Methode, nicht das medizinisch Notwendige abstellt, das Leistungsziel eng im gebührenrechtlichen Sinne zu betrachten. Das Leistungsziel heißt (...) "endoprothetischer Totalersatz von Hüftpfanne und Hüftkopf", nicht jedoch "Behandlung einer Coxarthrose" und häufig mit dieser auftretender Krankheitsbilder wie einer Entzündung der Synovia oder einer Schleimbeutelentzündung." (Urteil Landgericht Karlsruhe vom 28. März 2003, Az.: 1 S 106/02).

Bei gegebener Indikation muss Nr. 2113 neben Nr. 2151 also anerkannt werden (siehe Abrechnungsempfehlung der Bundesärztekammer, Deutsches Ärzteblatt, Heft 3 vom 18. Januar 2002).

Dr. med. Regina Klakow-Franck
(in: Deutsches Ärzteblatt 100, Heft 23 (06.06.2003), Seite A-1629)