Komplexe Eingriffe am Schultergelenk – was fällt unter „Arthroplastie“?

Deutsches Ärzteblatt 106, Heft 44 (30.10.2009), S. A-2210

Ein funktionierendes Gelenk herzustellen, beabsichtigt ein Operateur, wenn er eine Arthroplastik macht. Dabei korrigiert er sowohl die knöchernen Strukturen im Bereich von Gelenkflächen und ihrer Nachbarschaft als auch die jeweiligen Aufhängungen und Verstrebungen, also den Kapselbandapparat eines Gelenks. Ein „unvollkommenes Kugelgelenk“ wie das Schultergelenk bietet wenig Korrekturmöglichkeiten, da die Funktion in hohem Maß von einer intakten Muskelsehnenmanschette des proximalen Humerus abhängt. Die Sehne des Musculus subscapularis umgreift den Oberarmknochen von vorn, und die gemeinsame Sehnenplatte der Mm. supraspinatus, infraspinatus und teres minor kommt von dorsal.

Der arthroskopisch arbeitende Operateur erbringt meist an einem in Strandstuhlposition gelagerten Patienten rekonstruierende Eingriffe an der Rotatorenmanschette, er entfernt das Ligamentum coracoacromiale, er reseziert Teile des Acromions, des Discus oder anderer AC-Anteile, des Labrum glenoidale, der Tunica synovialis sowie des sehr unterschiedlich entwickelten und oft stark entzündlich veränderten oder verkalkten Schleimbeutelbereichs. Alle diese Prozeduren lassen sich unter der Leistung nach Nr. 2137 der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) „Arthroplastik eines Schultergelenks . . .“ subsumieren. Mitunter wird eine Bursektomie nach Nr. 2405 GOÄ zusätzlich berechnet, obwohl bei einer totalen Bursektomie oft wertvolles Gleitgewebe verloren geht.

In einigen Fällen werden Sehnen rekonstruiert und ersetzt, Knorpeltransplantationen durchgeführt und bisweilen erfolgt eine Stabilisation des AC-Gelenks mit Fremdmaterial. Für eine Knorpeltransplantation bietet sich zurzeit noch der Analogabgriff der Nr. 2384 GOÄ „Knorpeltransplantation“ an, und bei der AC-Gelenkstabilisierung wäre die Nr. 2130 GOÄ analog „Operative Versteifung eines Finger- oder Zehengelenks . . . “ angezeigt. Die anatomisch bereits sehr engen und oft durch synovialitische Veränderungen noch zusätzlich eingeschränkten Sichtverhältnisse für den Arthroskopierenden soll der Gebührenrahmen der GOÄ ausgleichen. Bei besonders aufwendigen Eingriffen stehen Analogansätze nach § 6 Absatz 2 GOÄ zur Verfügung. Die Bundesärztekammer empfiehlt bei einer massiven Synovialitis den Analogabgriff der Nr. 2193 GOÄ.

Auf jeden Fall können bei den oben erwähnten Teilschritten einer arthroskopischen Schultergelenksanierung keine Abgriffe der Nr. 2064 „Sehnen-, Faszien- oder Muskelverlängerung . . .“ oder die bereits obsolete Nr. 2182 „Gewaltsame Lockerung . . .“ als rechtmäßig angesehen werden. Der Abgriff der Nummern 2195 „Zuschlag für weitere operative Eingriffe, . . .“ und 2196 „Diagnostische Arthroskopie . . .“ entbehrt ebenfalls einer logischen Grundlage, weil die Arthroplastie mehrere Teilschritte beinhaltet, zusätzliche Eingriffe, wie oben erläutert, berechnet werden können und jeder operative Eingriff die Exploration des OP-Gebiets miteinschließt.

Dr. med. Dipl.-Ök. Ursula Hofer
(in: Deutsches Ärzteblatt 106, Heft 44 (30.10.2009), S. A-2210)

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