Persönliche Leistungserbringung in der Chefarztambulanz

Deutsches Ärzteblatt 109, Heft 29-30 (23.07.2012), S.A-1520

Nach § 4 Abs. 2 Satz 1 GOÄ darf der Arzt nur für eigene Leistungen liquidieren. Als eigene Leistungen gelten auch solche, die unter seiner Aufsicht nach fachlicher Weisung erbracht wurden. Voraussetzung dafür ist zumindest, dass der Arzt erreichbar und in der Lage ist, unverzüglich persönlich einwirken zu können, sofern dies notwendig ist. Liegen jedoch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der Chefarzt eigenverantwortlich an der Leistungserbringung mitgewirkt hat, sind die Voraussetzungen einer gebührenrechtlich zulässigen Delegation nicht gegeben. Dies bestätigt ein Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Frankfurt (Az.: 8 U 226/10).

Die Parteien stritten über die Zahlung von Honorar für ambulante Laborleistungen. Der Kläger war liquidationsberechtigter Chefarzt der D1-Klinik des B1-Klinikums sowie Leiter der dortigen klinischen Laboratorien. Die Beklagte war die Alleinerbin des verstorbenen Ehemannes, Herrn A. Im Zeitraum von 6/2006 bis 8/2006 und von 9/2006 bis 10/2006 wurden ambulante Laborleistungen durch Prof. C. in der Krankenhausambulanz erbracht. Der Kläger und Herr A. hatten im Juni 2006 ein als Behandlungsvertrag bezeichnetes Schriftstück mit dem Stempelaufdruck von Prof. C. unterzeichnet: „Hiermit erkläre ich, dass ich als Privatpatient von Herrn Prof. Dr. med. F., Direktor der D2-Klinik, behandelt werden möchte. . . . Bei unvorhergesehener Verhinderung werden die Aufgaben von Prof. Dr. med. F. von seinem Vertreter/seiner Vertreterin übernommen.“

Das Landgericht hatte die Klage abgewiesen; das OLG bestätigte die Entscheidung. Danach hat der Kläger gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung des Honorars für die ambulanten Laborleistungen. Der Anspruch besteht weder aus dem Behandlungsvertrag noch aus der Vereinbarung.

Als eigene Leistungen gelten solche, die der Arzt selbst erbracht hat oder die unter seiner Aufsicht nach fachlicher Weisung erbracht wurden. Die erste Alternative liegt nicht vor, weil die ärztlichen Leistungen alle von Prof. C. ausgeführt wurden. Die Voraussetzungen der Leistungserbringung zur Aufsicht nach fachlicher Weisung sind ebenfalls nicht gegeben. Der Vortrag des Klägers im Verfahren, dass wöchentlich und täglich „Besprechungen zu den Patienten“ abgehalten wurden, ist hierfür nicht ausreichend. Auch die sorgfältige Auswahl des sich durch Erfahrung und Qualifikation auszeichnenden Prof. C. begründet kein Liquidationsrecht. Vielmehr ist zu fordern, dass der liquidierende Arzt eigenverantwortlich an der Leistungserbringung mitwirkt. Dafür, dass der Kläger bei der Behandlung des Herrn A. leitend und eigenverantwortlich tätig war, fehlt jedoch jeder Anhalt. Der Vortrag des Klägers zu den wöchentlichen und täglichen Besprechungen der Krankheitsverläufe der Patienten lässt den notwendigen Fallbezug vermissen. Gleiches gilt für die Basislaborleistungen. Diese wurden weder vom Kläger selbst veranlasst noch über Prof. C. delegiert.

Ein Liquidationsrecht des Klägers kann auch nicht aus der Vereinbarung hergeleitet werden, in der die Aufgaben des Klägers abweichend von der Verpflichtung zur persönlichen Leistungserbringung für den Fall seiner unvorhergesehenen Verhinderung von seinem Vertreter übernommen werden. Es fehlte in dem Fall jeder Sachvortrag dahingehend, dass der Kläger in den genannten Behandlungszeiträumen verhindert war und dass seine Verhinderung unvorhergesehen/unvorhersehbar gewesen sein könnte.

Dr. jur. Marlis Hübner
(in: Deutsches Ärzteblatt 109, Heft 29-30 (23.07.2012), S.A-1520)