Abrechnung neurootologischer Diagnostik: VEMP

Deutsches Ärzteblatt 110, Heft 18 (03.05.2013), S. A-908

Die Abrechnung von neurootologischen Untersuchungen nach der Amtlichen Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) führt immer wieder zu Problemen. So wird auch bei der Abrechnung der Ableitung von vestibulär evozierten myogenen Potenzialen (VEMP) im Rahmen der Diagnostik des vestibulären Schwindels wiederholt die Frage aufgeworfen, ob es sich bei dieser Untersuchung um eine eigenständige Leistung im Sinne der GOÄ handelt, die – auch neben der Leistung nach Nr. 1408 GOÄ „Audioelektroenzephalographische Untersuchung“ – gesondert in Ansatz gebracht werden kann, und, wenn dies zu bejahen ist, welche Gebührennummer hierfür zutreffend heranzuziehen ist.

Die Ableitung von VEMP stellt eine Methode zur Funktionsuntersuchung der Gleichgewichtsorgane dar. Bei Reizung der Otolithenorgane im Innenohr durch Applikation niederfrequenter akustischer Stimuli kommt es, vereinfacht dargestellt, über reflektorische Verbindungen zu einer Auslösung myogener Potenziale im gleichseitigen M. sternocleidomastoideus, die mittels Elektromyogramm (EMG) abgeleitet und ausgewertet werden. Bei der audioelektroenzephalographischen Untersuchung nach Nr. 1408 GOÄ handelt es sich hingegen nicht um eine Gleichgewichtsuntersuchung, sondern um ein Hörprüfungsverfahren, bei dem nach akustischer Provokation Potenziale in einem Elektroenzephalogramm erfasst werden. Auch von daher stellt die Gleichgewichtsuntersuchung mittels der Ableitung von VEMP keine Leistung dar, die mit dem Leistungsinhalt der Nr. 1408 GOÄ miterfasst ist. Vielmehr handelt es sich bei der Ableitung und Auswertung von VEMP um eine eigenständige Untersuchung im Sinne der GOÄ, die – auch zum Beispiel nach vorangehender Ableitung von audioenzephalographischen Potenzialen (Leistung nach Nr. 1408 GOÄ) bei zusätzlich bestehendem Verdacht auf eine Hörstörung – gesondert berechnungsfähig ist.

Gemäß § 6 Absatz 2 GOÄ können selbstständige ärztliche Leistungen, die in das Gebührenverzeichnis nicht aufgenommen sind, entsprechend einer nach Art-, Kosten- und Zeitaufwand gleichwertigen Leistung des Gebührenverzeichnisses berechnet werden. Vor diesem Hintergrund erscheint eine Zuordnung der Leistung der Ableitung, Dokumentation und Auswertung von VEMP zu der Nr. 1408 GOÄ im Analogabgriff am ehesten zutreffend. Eine Zuordnung dieser Leistung zu Nr. 1408 GOÄ analog anstelle zu der im Kapitel G „Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie“ mit der Nr. 828 GOÄ aufgeführten „Messung visuell, akustisch oder somatosensorisch evozierter Hirnpotentiale (VEP, AEP, SSP)“ im Analogabgriff erscheint auch insoweit geboten, da „… der Verordnungsgeber mit der Aufnahme in verschiedene Kapitel des Gebührenverzeichnisses offensichtlich (…) der unterschiedlichen Perspektive der Fachgebiete beim Einsatz des jeweiligen Untersuchungsverfahrens und einem von ihm offenbar damit in Verbindung gebrachten unterschiedlichen Aufwand Rechnung tragen (wollte). Dies vorausgesetzt, sollte die Nr. 828 angesetzt werden, wenn sich die Untersuchung auf eine neurologische Erkrankung, (…), richtet, während die Nr. 1408 zutrifft, wenn das Untersuchungsziel sich auf die Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde bezieht, (…)“, vgl. hierzu Kommentierung nach Brück et al. (Deutscher Ärzte-Verlag, 3. Auflage, 24. Ergänzungslieferung, Stand 1. Dezember 2012).

Dr. med. Tina Wiesener
(in: Deutsches Ärzteblatt 110, Heft 18 (03.05.2013), S. A-908)