Gesprächsleistungen

Deutsches Ärzteblatt 99, Heft 18 (03.05.2002), Seite A-1253

Im Rahmen der Teilnovellierung der Amtlichen Gebührenordnung für Ärzte 1996 wurden u. a. neue Gebührenpositionen für spezielle Beratungsleistungen eingeführt, zum Beispiel die Nr. 33 für die Diabetes-Schulung eines Patienten. Auch wurde die geforderte Mindestdauer bei der eingehenden Beratung nach Nr. 3 von zwanzig auf zehn Minuten verringert. Dennoch kann man die seinerzeitige Ankündigung des Verordnungsgebers, Beratungsleistungen als zuwendungsintensive Leistungen sowie die so genannte sprechende Medizin allgemein fördern zu wollen, nur als bloße Absichtserklärung bezeichnen.

Die beiden einzigen zur Verfügung stehenden allgemeinen Beratungsleistungen (Nrn. 1 und 3) reichen nicht aus, um den Aufwand und oft auch den Schwierigkeitsgrad eines eingehenden Arzt-Patienten-Gespräches, das nicht nur bei Vorliegen lebensbedrohlicher Erkrankungen erforderlich ist, abzudecken. Gerade objektiv weniger schwerwiegende, aber rezidivierende oder chronifizierte Beschwerden, manche sogar als "Befindlichkeitsstörungen" eingestuft, verlangen dem Arzt sehr viel Einfühlungsvermögen und Geduld ab. Wer sich in einer solchen Fallkonstellation keine Zeit für seinen Patienten nimmt, läuft Gefahr, ihn zum Beispiel an einen Heilpraktiker zu verlieren, weil dieser wenigstens zuhört.

Da die Nr. 3 nicht neben Sonderleistungen wie beispielsweise EKG oder Röntgendiagnostik berechnet werden darf, wird häufig gefordert, Analogbewertungen für die in gleicher Sitzung erbrachte Beratungsleistung zu bilden, etwa nach Nr. 34. Dies ist aber nicht zulässig. Man kann darüber streiten, ob eine fehlernährungsbedingte Adipositas oder das Risiko einer tubaren Sterilität infolge einer Keimaszension bei IUP nicht, wie in Nr. 34 gefordert, im Sinne "nachhaltig lebensverändernder" Erkrankungen ausgelegt werden kann. Die Berechnung von Nr. 34 setzt jedoch zusätzlich voraus, dass der Patient bereits erkrankt ist (weshalb Beratungsleistungen zur Prävention per se nicht unter Nr. 34 fallen) und dass die Erörterung der Auswirkungen der Krankheit "in unmittelbarem Zusammenhang" mit der erstmaligen Mitteilung der Diagnose erfolgen muss.

Auch wird vorgeschlagen, eine umfassende Anamneseerhebung oder Exploration mitursächlicher psychischer oder sozialer Krankheitsfaktoren durch ausführliches Gespräch mit dem Patienten analog nach Nr. 30 (Homöopathische Erstanamnese) oder analog nach psychiatrisch-psychotherapeutischen Gebührenpositionen (zum Beispiel Nr. 860 Biografische Anamnese) abzurechnen. Bei Nr. 30 aber handelt es sich um eine vom Verordnungsgeber bis ins kleinste Detail reglementierte und deshalb nicht übertragbare Gebührenposition.

Generell ist ein Ausweichen auf Gesprächsleistungen anderer Kapitel des Leistungsverzeichnisses nicht möglich, weil die GOÄ in Abschnitt B I. Gebührenpositionen für allgemeine Beratungen, wenn auch unzureichend, vorhält.
Eine andere als die Berechnung der Nr. 3 ist in den als Beispielen genannten Fällen auf dem Boden der GOÄ nicht möglich.

Dr. med. Regina Klakow-Franck
(in: Deutsches Ärzteblatt 99, Heft 18 (03.05.2002), Seite A-1253)

Mehr Informationen